Porto – Angesichts eines immer aggressiver auftretendem China, haben die Europäische Union und Indien sich am Samstag auf einem virtuellen Gipfel darauf geeinigt, die ins Stocken geratenen Freihandelsverhandlungen wieder aufzunehmen. Das Treffen, das teilweise von der COVID-19-Krise in Indien überschattet wurde, brachte zum ersten Mal den indischen Premierminister Narendra Modi und alle 27 Staats- und Regierungschefs der EU zusammen, was ein Zeichen für das erneute Interesse der EU an der indopazifischen Region ist. Bei früheren Gipfeltreffen zwischen der EU und Indien waren nur der indische Premierminister und der EU-Vorsitzende anwesend.
Indien ist mit 1.3 Milliarden Einwohnern das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung und wird bald China als bevölkerungsreichstes Land ablösen. Das Bruttosozialprodukt des Landes wuchs in den letzten 25 Jahren um 3 % bis 8 % jährlich und könnte China in der Zukunft als Wachstumslokomotive der Welt absetzen. Im Gegensatz zu China wird Indien demokratisch regiert und ist von ähnlichen Werten wie westliche Demokratien geleitet.
Hintergrund für die Sorge vor China ist ein auf der Weltbühne immer aggressiver Auftreten und die Beanspruchung des fast gesamten südchinesischen Meeres und Landregionen seiner Nachbarländer. China hat Grenzstreitigkeiten mit insgesamt 18 Ländern und beansprucht auch ein polares Land zu sein. Deshalb kommt es immer wieder zu gewalttätigen Konfrontationen. Zuletzt starben 2020 insgesamt 20 indische Soldaten und laut chinesischen Staatsangaben mindestens 4 chinesische Soldaten an der Grenze zwischen Indien und China.
Wie erwartet präsentierten die chinesischen Staatsmedien den Gipfel anders. Aus den 28 Staats- und Regierungschefs wurden „einige indische und europäische Beamte“ und „die Ablösung Chinas durch eine Verbindung zwischen der EU und Indien“ als „Wunschdenken“ gedeutet.
Hadrian Schattner lebte von 1998 bis 2012 in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und heute in Berlin und Europa.