Am gestrigen Dienstag ging die Nachricht um die Welt, dass Australiens Great Barrier Reef von der UNESCO als gefährdet eingestuft werden soll und den Status als Weltkulturerbe verlieren könnte. Das UNESCO-Komitee forderte Australien auf, sich dringend mit der größten Bedrohung des Naturparadieses, dem Klimawandel, zu befassen und zitierte Berichte, wonach sich die langfristigen Aussichten für das Riff von „schlecht bis sehr schlecht“ verschlechtert hätten.
In einer darauf folgenden Presseerklärung zeigte sich die australische Umweltministerin Sussan Ley verwundert und empört und beschuldigte China indirekt der Manipulation. „Das Great Barrier Reef ist das am besten verwaltete Riff der Welt und dieser Empfehlungsentwurf wurde gemacht, ohne das Riff aus erster Hand zu untersuchen und ohne die neuesten Informationen“, so Ley. Die australische Regierung sei „fassungslos“ und von der Entscheidung „überrumpelt“ worden. UNESCO-Beamte hätten Australien erst eine Woche zuvor versichert, dass sie vor der Juli-Sitzung des Komitees keine Empfehlung abgeben würden. „Der Außenminister und ich hatten ein nächtliches Treffen mit dem Generaldirektor der UNESCO und wir haben unsere große Enttäuschung und sogar unser Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, dass unsere Beamten so überrumpelt worden sind. Dies ist eine komplette Unterwanderung des normalen Prozesses“. Ley warf somit der UNESCO eine Politisierung des Geschehenen vor. „Wenn Verfahren nicht befolgt werden, wenn der Prozess fünf Minuten vor der Veröffentlichung der Entscheidung auf den Kopf gestellt wird, was kann man sonst daraus schließen, als dass es Politik ist“,
Auch, wenn das Riff in den letzten Jahrzehnten die Hälfte seiner Korallenbestände verlor, so kommen die Vorwürfe der Ministerin nicht von nirgendwo. Das 21-köpfige Komitee wird von China geleitet, was die Frage aufwirft, ob die Entscheidung Pekings jüngsten Akt der Vergeltung gegen Australien darstellt. Ein Faktencheck von wumao.news zeigt auf, dass China die volle Kontrolle über das Gremium hat. Die Mehrheit der dort vertretenen Länder ist stark abhängig von China und besteht aus hybriden und autoritären Regimen und Unterzeichnern der „Belt and Road Initiative“.
Ein solches Agieren passt somit gut zu den zahlreichen wirtschaftlichen Strafaktionen Pekings gegen Canberra, denn am Riff hängen 64,000 Arbeitsplätze und über 4 Milliarden Euro Einnahmen. Weiter betroffene Bereiche sind unter anderen mehrere landwirtschaftliche Sektoren, Kohle, Wein und der Tourismus. Die Sanktionen Chinas werden als Antwort auf die drastische Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern gesehen, nachdem Australien Huawei von seinem künftigen 5G-Netz ausschloss und eine Untersuchung in den Ursprung des Coronavirus forderte.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Ministerin Ley ihre Arbeit verteidigte. In der Tat investierte Australien umgerechnet 1.9 Milliarden Euro in den Schutz des Riffs. „Dies sendet ein schlechtes Signal an jene Nationen, die nicht die gleichen Investitionen in den Riff-Schutz tätigen, wie wir es tun“, so Ley. „Wenn es auf der Grundlage der sehr realen Bedrohung durch den globalen Klimawandel vorgeschlagen wird, dann gibt es eine beliebige Anzahl an internationalen Weltkulturerbestätten, die dem gleichen Prozess unterzogen werden sollten. Ich stimme zu, dass der globale Klimawandel die größte Bedrohung für die Riffe der Welt ist, aber es ist unserer Meinung nach falsch, das am besten verwaltete Riff der Welt für eine „in Gefahr“-Einstufung auszuwählen.“
Hadrian Schattner lebte von 1998 bis 2012 in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und heute in Berlin und Europa.