Peng Shuai, die ehemalige Weltranglistenerste im Tennisdoppel, äußerte sich über zwei Wochen lang nicht öffentlich, nachdem ihr Weibo-Post 30 Minuten nach Veröffentlichung am 2. November gelöscht wurde. Darin beschuldigte sie den ehemaligen chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli der sexuellen Nötigung.
Nach einer mutmaßlich gefälschten E-Mail von CGTN geht die Saga nun weiter. Obwohl im chinesischen Internet alle Nachrichten über die Geschichte unterdrückt werden und teilweise sogar das Wort „Tennis“ zensiert wurde, postete ein unbekanntes WeChat-Konto mit dem Namen Peng Shuai 2 am Freitag drei Bilder der vermissten Tennisspielerin.
Wie durch ein Wunder wurde dies sofort von Shen Shiwei, einem CGTN-Mitarbeiter, gefunden, der es auf Twitter veröffentlichte, was dann von Hu Xijin, dem Herausgeber der Global Times, aufgegriffen und geteilt wurde. Hu fungiert in dieser Geschichte als de facto Sprachrohr für die KPCh.
Hu kommentierte: „Ich habe gerade diese neuesten Fotos von Peng Shuai gesehen. Da ich nicht glaube, dass Peng Shuai ungerecht behandelt worden ist, bin ich bereit an die Echtheit dieser Fotos zu glauben. Und ich bin zuversichtlich, dass die unwahren Spekulationen über sie schließlich zerschlagen werden.“ Eines der drei Fotos ist besonders kurios: Peng, die einen Stoffpanda in der Hand hält, deutet auf ein Bild, das ausgerechnet einen großen Winnie Puuh zeigt (Der Bär wird aufgrund seiner Ähnlichkeit zu Machthaber Xi im chinesischen Internet zensiert).
Die Tatsache, dass die Vorwürfe nicht behandelt wurden, trug weder dazu bei, dass die Öffentlichkeit diese Behandlung als fair empfand, noch konnten die Bilder als ausreichender Beweis für Pengs Wohlergehen sein. Deshalb äußerten neben der WTA, dem Deutschen Olympischen Sportbund und zahlreichen Sportlern nun auch der US-Präsident und die UNO ihre Besorgnis.
Dies schien auch Hu zu realisieren und, fixiert auf seine Aufgabe, den chinesischen Staat um jeden Preis zu schützen, legte einige Stunden später nach: „Ich habe zwei Videoclips erworben, die zeigen, wie Peng Shuai mit ihrem Trainer und Freunden in einem Restaurant zu Abend isst. Aus dem Inhalt der Videos geht eindeutig hervor, dass sie am Samstag Pekinger Zeit gedreht wurden.“
Tatsächlich ist Peng in beiden Videos zu sehen. Um keinerlei Missverständnis aufkommen zu lassen, wurde im ersten Video das heutige Datum im Gespräch erwähnt, und im zweiten Video wurde ein Clip eingeschnitten, in dem zufällig ein Schild mit dem Datum an der Tür hing.
Kritiker beschuldigen die Regierung nun der Fälschung und Inszenierung. Um dem zu entgegnen, kündigte eine chinesische Fanpage auf Instagram an, dass Peng Shuai morgen in Pekings Diamond Court sein werde. Dies wäre ein erstes, echtes Lebenszeichen, wenn es unabhängig verifiziert werden kann, allerdings würde dies nach wie vor Fragen über den Umgang des chinesischen Staates mit Pengs mutmaßlichen Peiniger aufwerfen und inwieweit Peng sich frei bewegen darf.
Hadrian Schattner lebte von 1998 bis 2012 in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong und heute in Berlin und Europa.